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Vollgas Richtung Wasserstoff

Beim Energieforum Emsland in Lingen zeigen Experten Wege auf

Selten dürfte das Energieforum Emsland so aktuell gewesen sein wie in diesem Jahr. Denn beim Treffen von 300 Experten in Lingen ging es um den Weg zur CO2-neutralen Energiewirtschaft. Der weitgehende Verzicht auf Öl, Erdgas und Kohle scheint gerade angesichts der aktuellen Weltlage notwendiger und dringender denn je.

 

Wie groß die Herausforderung der Energiewende tatsächlich sein würde, hatte die westliche Welt in der Vergangenheit zwar geahnt. Nun aber trifft sie nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine auf eine harte Energiemangel-Realität und auf die Erkenntnis, dass man beim Ersetzen der fossilen Energien nicht so weit ist, wie man wohl schon sein müsste. 

Sechste Veranstaltung auf dem Campus Lingen

Das Energieforum Emsland in Lingen immerhin kann für sich in Anspruch nehmen, die Thematik schon vor mehr einem Jahrzehnt erstmals in einer großen Veranstaltung auf die Tagesordnung gebracht zu haben. Regelmäßig organisierte der Arbeitskreis Energie des Wirtschaftsverbandes Emsland seitdem mit Partnern ein Branchen- und Forschungstreffen auf dem Campus Lingen. Auch die nun sechste Ausgabe hatte das Ziel, die Energiewende in die Praxis umzusetzen.

 

Neben dem Wirtschaftsverband zählten auch die H2-Region Emsland und die Hochschule zu den Mitorganisatoren, zahlreiche Partner aus der Wirtschaft unterstützten finanziell. Landkreis und Stadt Lingen gaben inhaltliche Impulse, Unternehmen stellten neue Techniken vor. Neben gemeinsamen Diskussionsrunden und Foren organisierten die Veranstalter kleinere Expertengespräche, etwa zum Wärmemarkt, zur Energieeffizienz oder zu sicherer Versorgung.

 

Als Schirmherr wählte der Vorstandsvorsitzende „Ressort Energie des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches“ (DVGW), Professor Gerald Linke klare Worte für die die aktuelle Lage: „In 30 Jahren Energiewende haben wir erst 15 Prozent des Weges geschafft“, sagte Linke. „Wir müssen viel schneller werden, wenn wir die Erderwärmung wirksam begrenzen wollen.“ Allerdings dürfe man die Wirtschaft für eine beschleunigte Energiewende nicht blindlings opfern, sondern müsse mit Bedacht vorgehen.

 

Ein Weg zum Ziel aus Sicht des Gasfachmannes: Wasserstoff und Biogas, außerdem regenativ hergestelltes Methan, die gemeinsam fossiles Erdgas ersetzen können. Wasserstoff, der im Inland gewonnen werde aus Strom und Wind, der aber vor allem aus anderen Ländern importiert werde, die über mehr Wind, mehr Sonne und mehr Fläche verfügten als Deutschland. „Deutschland bleibt ein Energieimportland“, betonte Linke.

Biogasproduktion muss ausgeweitet werden

Und Biogas, das in Deutschland bisher vor allem aus Mais, Mist und Gülle hergestellt werde, müsse auch aus anderen Quellen wie Abfällen oder Tierfetten erzeugt werden, sagte Linke. Es müsse aufbereitet und dann ins vorhandene Gasnetz eingespeist statt in der Anlage selbst durch Verbrennen in Strom und Wärme umgewandelt zu werden.

 

 

Linkes Botschaft lautete: Nicht alle Prozesse in der Wirtschaft lassen sich auf grünen Strom umstellen, einige benötigen weiterhin Gas als Treibstoff. Und das müsse eben so schnell wie möglich ohne fossile Energie hergestellt und als Wasserstoff oder Methan über vorhandene oder neue Leitungen in die Fläche gebracht werden.

 

Auf dem Weg zum Wasserstoff sei die Stadt Lingen nicht nur Vorreiter, sondern sogar „Standort Nummer eins in Deutschland“, betonte Oberbürgermeister Dieter Krone. Er zählte ein gutes Dutzend Projekte auf, die bereits in Sachen H2-Wirtschaft umgesetzt wurden oder demnächst werden. Lingen wandele sich von einem Atom- und Erdgasbasierten Energieproduzenten zu einem Drehkreuz für Grünen Wasserstoff.

Lingen Wasserstoffstadt Nummer eins in Deutschland

In Lingen werde er nicht nur in namhafter Menge produziert, er könne auch entweder hier in der Industrie eingesetzt oder über vorhandene Netze ins Ruhrgebiet verteilt werden. Der dafür benötigte Windstrom komme per Überlandleitung aus der Nordsee.

 

Also alles schon in bester Ordnung? Den zahlreichen Gesprächen und Vorträgen war das nicht zu entnehmen. Im Gegenteil: Es gilt, Fragen von Produktion und Verteilung Grünen Stroms und Grünen Wasserstoffs zu klären, die Wirtschaft am Laufen zu halten, die Wohnungen warm.

 

Professor Linke beschrieb das „energiepolitische Dreieck“ als Grundlage allen Handelns: Demnach muss die Energieversorgung gleichrangig ebenso klima- und umweltverträglich werden, Versorgungssicherheit gewährleisten und dabei bezahlbar sein. Selten waren die Herausforderungen so groß wie heute. Aber immerhin: Linke geht davon aus, dass das zu schaffen ist. „In spätestens zwei bis drei Jahren werden wir eine Preisberuhigung sehen. Und Wasserstoff wird zum energetischen Grundnahrungsmittel der Gesellschaft.“

 

 
Foto: Wirtschaftsverband Emsland e.V.
Quelle: Lingener Tagespost, https://www.noz.de/43181254