Industrielle Inseln im Park

ANF hat Verträge bis 2032 - Brennelemente aus dem IndustriePark nach deutschen Qualitätsstandards

Interview mit Geschäftsleitung und Betriebsrat – „Vom Standort Lingen überzeugt“

Die Brennelementefabrik ANF in Lingen ist zuversichtlich, dass sie auch in Zukunft Brennstäbe für Kernkraftwerke fertigen wird. Es gebe bereits Verträge bis 2032.

In einem Interview mit unserer Redaktion sprechen Geschäftsführer Peter Reimann, Werksleiter Andreas Hoff und der Betriebsratsvorsitzende Franz-Josef Thiering über die Zukunft der Brennelementefabrik, die öffentliche Debatte über den Standort, die Stimmung in der Belegschaft und die Rolle der Medien.

Brennelemente für Kernkraftwerke stellt Advanced Nuclear Fuels (ANF) in Lingen her. Foto: David Ebener

 

Atomkraftgegner haben in der letzten Woche einen Exportstopp für Brennelemente von ANF gefordert, die zu störanfälligen Meilern nach Frankreich und Belgien transportiert werden. Sie untermauern diese Forderung mit einem eigens in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten. Wie ist Ihre Position dazu?

 

Reimann: Zunächst einmal freut es uns, dass das Gutachten bestätigt, dass wir in Lingen eine unbefristete Betriebsgenehmigung haben und diese nicht infrage stellt. Überhaupt kein Verständnis haben wir für die Forderung eines Exportverbots. Das käme vor dem Hintergrund des deutschen Ausstiegs mittelfristig einem Schließungsbeschluss für unsere Anlage gleich. Ich möchte alle Kritiker daran erinnern, dass wir kein Monopolist sind. Wenn Lingen keine Brennelemente liefert, dann tun das eben Franzosen, Amerikaner, Russen oder andere unserer weltweiten Wettbewerber. Ich jedenfalls bevorzuge Brennelemente aus Lingen, die nach deutschen Regeln und Qualitätsstandards und unter Aufsicht deutscher Behörden gefertigt wurden. Ich kann nicht sehen, was daran schlecht sein soll.

 

Die Bundesregierung hat klargestellt, dass sie keine Anstrengungen unternehmen werde, das Atomgesetz zu ändern, um die Betriebsgenehmigung der Brennelementefabrik zu beenden. Befürchten Sie, dass sich an dieser Haltung nach den nächsten Bundestagswahlen etwas ändern wird?

 

Hoff: Ich weiß nicht, was nach der nächsten Bundestagswahl passiert. Ich weiß nur, dass wir eine unbefristete Betriebsgenehmigung haben. Wir haben immer auf einem sehr hohen Sicherheitsniveau Brennelemente gefertigt und investieren fortlaufend in die Anlage. Deswegen befindet sich die Technik auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Alle Untersuchungen – etwa der Stresstest nach Fukushima – haben ein hohes Sicherheitsniveau bescheinigt. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft in Lingen Brennelemente fertigen werden. Wir leisten im Übrigen einen maßgeblichen Beitrag zum Erhalt von kerntechnischen Kompetenzen hierzulande. Deutschland muss noch viele Jahre nach dem Ausstieg mit Brennelementen umgehen, etwa wenn ein Castor-Behälter im Zwischenlager umgeladen werden muss. Ohne die ANF und unsere Kollegen bei Areva in Erlangen und Karlstein wird es nach dem Ausstieg kaum noch Fachleute für solche Aufgaben geben. Diesen Kompetenzverlust würde man auch an anderer Stelle spüren, beispielsweise bei der Strahlenmedizin. Wer in Deutschland immer nur alles schließen will, darf sich nicht wundern, wenn am Ende nichts mehr da ist.

 

Bereits in diesem Jahr gehen wegen des Atomausstieges in Deutschland 70 Prozent der Brennstäbe in den Export. Im Jahr 2022, wenn das letzte Kernkraftwerk in Deutschland vom Netz ist, werden es 100 Prozent sein müssen. Wie schätzen Sie die Auftragslage auf dem europäischen und weltweiten Markt ein?

 

Reimann: Ich möchte einmal festhalten, dass der deutsche Ausstieg ein Einzelfall ist. Weltweit steigt die Anzahl der Kernkraftwerke. Allein in diesem Jahr haben sechs neue Kernkraftwerke den Betrieb aufgenommen, vor allem in China aber auch in den USA und Korea. Abschaltungen gab es keine. In Europa ist die Situation stabil. Wir sehen also auch nach dem Ausstieg eine langfristige Nachfrage nach unseren Brennelementen und haben bereits Verträge bis 2032.

Was unternehmen Sie innerhalb von ANF, um neue Geschäftsfelder zu entwickeln, die die Abhängigkeit von Brennelementen verringern könnten?

 

Hoff: Wir haben in den vergangenen Jahren unsere Produktpalette erweitert. Beispielsweise bauen wir unbenutzte Brennelemente, die wegen des plötzlichen Ausstiegs 2011 nicht mehr benötigt wurden, wieder auseinander. Den Brennstoff nutzen wir für neue Brennelemente für Kernkraftwerke, die noch in Betrieb sind. Das ist Recycling im besten Sinne. Darüber hinaus fertigen wir Spezialprodukte, die im gesamten Areva-Konzern verwendet werden, also auch in Frankreich und den USA. Dazu gehören spezielle Brennstoff-Tabletten, die eine bessere Ausnutzung des Rohstoffs Uran ermöglichen. Besondere Kompetenzen in der Entwicklung und dem Bau von Fertigungstechnologien, die wir seit vielen Jahren international vermarkten, bilden ein weiteres Standbein und sorgen für eine hohe Fertigungsqualität von Brennelementen auch außerhalb Deutschlands.

 

Wie wirken sich die unternehmerischen Aktivitäten auf die Region aus?

 

Reimann: Wir beschäftigen ca. 290 Mitarbeiter als Facharbeiter, Techniker und Ingenieure in hoch qualifizierten Berufen sowie 30 bis 40 Mitarbeiter von lokalen Lieferanten. Dazu kommen noch zurzeit 15 Auszubildende in technischen und kaufmännischen Berufen. Durch unsere Geschäftstätigkeit erzeugen wir circa 30 Millionen Euro Kaufkraft an Gehältern und Aufträgen jährlich für die Region.

 

Wie geht die Belegschaft mit der kontroversen öffentlichen Debatte der letzten Monate über die Zukunft von ANF um?

 

Hoff: Ich will gar nicht bestreiten, dass die Vorstöße aus einigen politischen Lagern zu Verunsicherung bei vielen Kollegen führen. Ich weiß, dass sich unsere Mitarbeiter über mancherlei Berichterstattung ärgern. Wenn Sie etwa reißerische Überschriften oder Bezeichnungen wie „marode“ oder „Uralt-Anlage“ lesen, dann bringen sie das in keiner Weise mit ihrer tagtäglichen Arbeitswirklichkeit zusammen. Hier erleben Sie moderne Technik, außerordentlich genaues Arbeiten und eine unternehmensweit führende Sicherheitsbilanz, beispielsweise hinsichtlich der unfallfreien Tage. Wir sind nach außen transparent und jeder Zeit offen für Besuche von Gruppen, Parteien und der Presse. Deswegen haben wir in Lingen nach meiner Überzeugung einen guten Ruf. Das zeigt sich auch bei den Protestaktionen, die es immer mal wieder gibt. Da ist in der Regel kein Lingener dabei, das sind zumeist junge Leute, die aus der ganzen Republik anreisen. Wir fühlen uns grundsätzlich vom Großteil der lokalen Politik, Wirtschaft und Bevölkerung gut unterstützt und sind vom Standort Lingen überzeugt.

 

Thiering: Die Belegschaft ist auch enttäuscht, verärgert und erbost über die Art und Weise der Berichterstattung. Die Überschriften in der deutschen Presse und leider auch in Ihrem Medium sind meist reißerisch geschrieben und geprägt von unsachlichen und unzutreffenden Begriffen wie „verstrahlt, Schrottreaktor und Pannenreaktor“. Dafür haben wir kein Verständnis. Von der ANF Lingen wird gern als „versteckt im Wald liegende Anlage“ geschrieben. Wir sind aber nicht versteckt. Wir liegen zwar idyllisch, sind aber absolut transparent. Wir laden Besucher, Journalisten und Politiker zu Betriebsbesichtigungen ein.

 

Was wünschen Sie sich von der Politik?

 

Thiering: Verärgert sind wir, wenn Kritiker der Kernenergie und Politiker heuchlerisch erwähnen, wie wichtig ihnen der Erhalt der Arbeitsplätze ist, aber genau entgegengesetzt handeln. Gemeinsam mit dem Management setzen wir uns unermüdlich für den Erhalt der Arbeitsplätze in Lingen ein. Der Standort hat eine Zukunft. Die Belegschaft hat nichts gegen kontroverse Debatten. Sie erwartet aber Ausgewogenheit und Sachlichkeit. Von der Politik erwarten wir Verlässlichkeit. Auch in Zeiten anstehender Wahlen.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Online-Ausgabe der Lingener Tagespost. Er kann hier abgerufen werden.