Industrielle Inseln im Park

Das Unternehmen Belutec aus dem IndustriePark Lingen und Unis aus Berlin mit viertem Platz bei weltweit größtem Bau- und Architekturwettbewerb

Dieses Solarhaus haben das Lingener Unternehmen Belutec und zwei Unis aus Berlin gebaut: das Rooftop. Foto: Julian ChristianDas Lingener Unternehmen Belutec, Studierende der UdK Berlin und der TU Berlin haben es geschafft: Zusammen überzeugten sie die Jury des weltweit größten Bau- und Architekturwettbewerbs, Solar Decathlon 2014, im französischen Versailles davon, dass ihr Haus nicht nur visionär anzusehen ist, sondern auch den Praxistest für zukunftweisendes Bauen besteht. Denn das Solarhaus kommt ganz allein mit Sonnenenergie aus.

 

Das Team „Rooftop“ ist eines von 20 Finalistenteams des Solar Decathlon Europe 2014. Es schnitt von vier deutschen Mitbewerbern als bestes Team ab und erreichte mit seinem Entwurf den 4. Platz in der Gesamtbewertung.

 

Belutec, mit Geschäftsführer Bernd Lucas, hat das Haus mit horizontalen Faltläden ausgestattet, die nicht nur als thermische Fassade, sondern im geöffneten Zustand auch als Vordach mit Sonnenschutz und zum Dritten im geschlossenen Zustand vor ungebetenen Gästen schützt.

 

„Drei Fliegen mit einer Klappe, und darüber sind wir in unserem Unternehmen besonders stolz“, berichtet Lucas in einem Gespräch mit unserer Zeitung über das Projekt, welches jetzt wieder in Berlin zu Demonstrationszwecken steht.

 

Und, wie ist es zu der Zusammenarbeit mit den beiden Berliner Universitäten und einem mittelständischen Unternehmen aus dem Emsland gekommen und warum ein solches Projekt? Lucas erläutert, dass die vielen Alt- und Vorkriegsbauten in Berlin wegen ihres Charmes bevorzugt gemietet würden – wenn die Energieverschwendung durch die meist nicht ausgebauten und isolierten Dächer nicht so hoch wäre.

 

Diesen Umstand hätten sich Studierende der Universitäten angenommen und ein Konzept entwickelt, wie in den nicht ausgebauten Dachstühlen weiterer Wohnraum geschaffen werden könnte und damit gleichzeitig die Energiebilanz des gesamten Hauses darunter zu verbessern. „Aber mit der Umsetzung hat das wohl nicht so geklappt, wie man es sich vorher auf dem Papier ausgerechnet hat“, erklärte Unternehmer Lucas.

 

Zudem hatte man seitens der Unis vor, sich diese Ideen auch patentieren zu lassen. „Und, wie der Zufall so spielt, sind sie bei der Patentrecherche auf unser Unternehmen gestoßen“, berichtet Lucas über das Zustandekommen der Partnerschaft. „Sie haben gewusst, dass ihnen bei der Projektfertigstellung bis Ende Juni die Zeit wegläuft, und haben mich gefragt, ob Belutec entsprechende Faltläden bauen kann. Können wir, habe ich geantwortet, auch wenn wir wegen anderer Aufträge schon unter einem großen Zeitdruck gestanden haben“, räumt der Lingener ein.

 

Die insgesamt 14 Module, bestehen aus zwei Tei len: Der obere ist mit Fotovoltaik-Modulen bedeckt, der untere besteht aus einer Holzschalung. Der leichten Schräge der Decke folgend, agieren sie wie eine Erweiterung des Daches, sowohl innen wie außen. Wenn der Bewohner nicht zu Hause ist, passt sich die Fassade dank automatisiertem Haussystem an den Verlauf der Sonne an. Sollten die Besitzer anwesend sein, können sie selbst jedes individuelle Fassadenelement beliebig einstellen.

 

Die Fassade reagiert allerdings nicht nur auf den Stand der Sonne, sondern berücksichtigt auch verschiedene Jahreszeiten. Im Sommer öffnet sich das Haus, die nun weit herausragenden Dachelemente spenden ausreichend Schatten, während das Haus nachts genügend abkühlen kann. In den kalten Monaten werden die Fassadenelemente hauptsächlich geöffnet sein, den niedrigen Sonnenstand auf diese Weise optimal nutzend. Nachts werden die Elemente heruntergeklappt, um so eine schützende Hülle um das Haus zu formen und es zusätzlich zu isolieren.

 

„Der Wettbewerb hat gezeigt, dass sich unsere Visionen am Markt durchsetzen werden, weil wir mit diesen Hebefaltsystemen nicht nur in Sachen Energieeffizienz nachhaltig bauen können – wir bauen für die Zukunft“, erklärt der Unternehmer und machte auch keinen Hehl daraus, dass die etwa zehn Patente, die er in dieser Richtung besitzt, seinem Unternehmen einen internationalen Marktvorsprung garantieren.

 

Einen Marktvorsprung, der ihm unter anderem auch Aufträge beim Britischen Museum und der Morning Lane (Fashionmall) in London eingebracht hat.

 

Deshalb habe Belutec die rund 100 Köpfe zählende Mitarbeiterschaft um neun Auszubildende erweitert, um der Auftragslage und den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden.

 

Lingener Tagespost

Ausgabe vom 09. August 2014

Ressort Lokales