Industrielle Inseln im Park

Lingener Emco-Gruppe will den Markt aufrollen

Zwei Werke in China

Emco will den Markt aufrollen: 1000 Elektroroller montiert das Lingener Unternehmen pro Jahr in China. Aber: Es müssten noch ein paar mehr sein, um damit auch Geld zu verdienen.


„Wir sind ziemlich schlecht im Aufgeben“, sagte der geschäftsführende Gesellschafter Christan Gnaß als er eine Delegation der Stadt Osnabrück und der Industrie- und Handelskammer Osnabrück, Emsland, Grafschaft Bentheim durch die zwei Emco-Werke in der chinesischen Stadt Chuzhou führte. Die Elektroroller der Marke Emco sind für den deutschen Markt bestimmt, doch hier fristet die E-Mobilität (außer beim Radfahren) noch ein Randdasein.


Vielleicht war die Emco-Spitze der Zeit noch etwas voraus, als sie vor fünf Jahren entschied, das Experiment E-Roller am Standort Chuzhou zu starten. „Es war eine lange Lernphase“, räumt Gnaß ein, denn die chinesischen Zulieferer hielten nicht ihr Qualitätsversprechen ein. Die Rahmen etwa seien zu ungenau gewesen. Als die Emco-Chefs sich die Rahmenproduktion beim Zulieferer anschauten, stellten sie fest, ein Teil der Schweißer keine Schutzbrillen trug, viele also gar nicht richtig sehen konnten, was sie das schweißten. Gnaß: „Wir haben dann erst mal Schweißbrillen besorgt.“

 

Der letzte Schliff. Foto: Hermann Hinrichs

 

Die Startschwierigkeiten sind beseitigt, das Qualitätsversprechen eingelöst – jetzt braucht es noch einen größeren Markt. Die Nachfrage sei zunächst gut angelaufen, dann unerklärlicherweise abgeflacht, um seit gut zwei Jahren wieder erfreulich stark zu steigen, berichtet Gnaß. Die Wachstumsrate liege aktuell „im zweistelligen Bereich“, das Roller-Geschäft sei aber noch nicht gewinnbringend.


Je nach Ausstattung und Batteriekapazität kosten die lautlosen E-Roller zwischen 2800 und 5000 Euro . Die Reichweite liegt nach Firmenangaben bei 100 Kilometer, exklusive Modellen schaffen 140 Kilometer. Schmuckstück in der Typenpalette ist der Emco Nova – außen nostalgisch, innen hochmodern. Große Hoffnung setzt Emco auch auf den Typ „Delivery“: der lautlose Flitzer für Pizzadienste. Der Vorteil: sehr geringe Betriebskosten.

 

Locher und Klobürsten

E-Roller – das ist das eine Gesicht der Emco-Gruppe. Das andere der Gemischtwarenladen: Locher und Klobürsten, Fußmatten und Kühlgeräte. Seniorchef Harald Müller, ein Tüftler und Visionär mit Pioniergeist, streckte Anfang der Neunzigerjahre seine Fühler nach China aus. Weil er erkannte, dass sein Unternehmen eine verlängerte Werkbank benötigt, die kostengünstig seine Nischenprodukte für den deutschen Markt liefern kann. Zusammen mit Weidong Ye, einem Mitarbeiter mit chinesischen Wurzeln, legte Harald Müller den Grundstein für die Fertigung in Chuzhou zwei Zugstunden westlich von Shanghai.


Emco macht (fast) alles: fürs Büro robuste Locher und Hefter der Marke Novus sowie Dahle-Papierschneidegeräte, fürs Bad edle Handtuchhalter oder Klobürsten, fürs Haus strapazierfähige Fußmatten oder energieeffiziente Kühlaggregate. „Es ist ja keine Raketentechnologie, die wir produzieren“, sagt Gnaß. „Unsere Stärke sind die Nischenprodukte und die hohe Fertigungstiefe.“ Diese sichere den hohen Qualitätsstandard. Gnaß: „Sonst könnten wir auf einen Novus-Locher keine 25 Jahre Garantie geben.“ Beispiel Hefter: Das Gerät ist kein Hightech-Produkt, duldet aber keinerlei Maßabweichung. Deshalb fertigt die Emco-Gruppe die Einzelteile im eigenen Haus mit selbst entwickelten und gebauten Werkzeugen. „Wir sind da ganz emsländisch, wir machen alles selbst“, sagt der Firmenchef aus Lingen.


Emco erzielte 2015 einen Umsatz von 150 Millionen Euro, der „moderat“ weiter steigen soll, wie der Chef sagt. Die Eigenkapitalquote ist mit über 50 Prozent sehr solide. Emco beschäftigt an vier Standorten in Lingen, China, Tschechien und Frankreich 1300 Mitarbeiter. Am Stammsitz in Lingen, wo 600 Menschen arbeiten, wird getüftelt und entwickelt, produziert wird, wo die Lohnkosten niedrig sind. Aber China holt auf, und den Beschäftigten geht es gut: Emco muss in Chuzhou jetzt Parkplätze schaffen, weil immer mehr Mitarbeiter mit dem eigenen Auto kommen.

 

Der Artikel erschien in der Onlineausgabe der NOZ und ist hier abrufbar.